Der Nutzen systemischen Denkens in der Sozialarbeit am Beispiel „Betreutes Wohnen“
2001 – 2002
Ein Projekt der Bundesakademie für Sozialarbeit Wien 10 von S. Schachinger, M. Fahrnberger, H. Regenfelder, N. Reisinger, A. Golob, E. Wenninger, V. Rangelova und B. Bauernfeind unter der Leitung von W. Milowiz und Susanne Zuzek
Die systemische Sichtweise ermöglicht eine klare und relativ einfache Positions- und Aufgabendefinition. Sie entlastet von unmöglichen Aufgaben. Sie gibt klare Hilfen, wirksame von Alibihandlungen abzugrenzen. Sie stellt der/dem SozialarbeiterIn ein Instrument zur Verfügung, das eine Analyse von Situationen einerseits und Wirkungen von Handlungen (Interventionen) andererseits ermöglicht. Sie erzwingt ein klares Auseinanderhalten von Werthaltungen und deren Wirkungen und damit eine Auseinandersetzung mit den je eigenen Werten und Normen. Sie befreit von dem Zwang, Aufträge auszuführen, die nicht durchführbar sind.
Aus einem Interview mit W. Milowiz
Sie erklärt jeden Menschen – und damit auch die/den Sozialarbeiter – zum Verantwortlichen, der nicht einfach Aufträge ausführen kann, ohne selbst entscheiden zu müssen.
Einleitung
Im Studienjahr 2001/02 befaßte sich eine Gruppe von StudentInnen der Bundesakademie für Sozialarbeit in Form von mehreren Tiefeninterviews mit der Frage, wie sich systemisches Arbeiten von dem sonst gängigen Vorgehen in der Sozialarbeit unterscheidet. Als InterviewpartnerInnen wurden SozialarbeiterInnen ausgewählt, die im betreuten Wohnen arbeiten und eine Zusatzausbildung für Systemische Sozialarbeit absolviert hatten. der folgende Text ist ein Ausschnitt aus der Abschlußarbeit des Projektes.
Da keine Vergleichsgruppe interviewt wurde, ist das Ergebnis nicht statistisch verwertbar, kann aber Tendenzen aufzeigen und Grundlagen für genauere Untersuchungen liefern.
Der Ausschnitt enthält außer dem zusammenfassenden Ergebnis die Interviewfragen und die Zusammenfassungen der ausgewerteten Interviews.
Das Ergebnis
Nachdem die Interviews alle durchgeführt waren, hat sich die Gruppe daran gemacht, diese auszuwerten. Da es, wie sich nach Erkundigungen herausgestellt hat, keine festgelegte Vorgangsweise in der Auswertung von Tiefeninterviews gibt, haben wir uns darauf geeinigt, Gemeinsamkeiten in den einzelnen Interviews zu suchen und aufgrund dieser Übereinstimmungen Thesen zu formulieren. Dabei haben wir zwischen Kriterien unterschieden, die von allen InterviewpartnerInnen genannt wurden und solchen, die von mindestens zwei InterviewpartnerInnen erwähnt wurden, demnach nur zum Teil übereinstimmend sind. Aufgrund dieser Ergebnisse haben sich so zwei Thesen gefunden, die im Anschluss näher dargestellt werden (Die Transkripte der Interviews finden sich im Anhang).
These 1: Die Auslegung des Begriffs „Wohnfähigkeit“ ist innerhalb des Betreuten Wohnens ein „ungeschriebenes Gesetz“:
Alle befragten Personen waren sich darüber einig, dass es keine festgelegte Definition des Begriffs „Wohnfähigkeit“ gibt. Es haben sich jedoch Kriterien gefunden, die von allen (bzw. von mindestens zwei) InterviewpartnerInnen in diesem Zusammenhang erwähnt wurden, weshalb wir den Begriff eines „ungeschriebenen Gesetzes“ als passend erachten. Diese Kriterien sind jeweils sehr flexibel zu interpretieren, das heißt, es liegt jeweils im Ermessen der zuständigen SozialarbeiterInnen, wie weit bzw. wie eng sie den Begriff „Wohnfähigkeit“ auslegen. Ebenso sollte nach Angaben der interviewten Personen bedacht werden, dass die KlientInnen im Bereich „Betreutes Wohnen“ oft nicht „wohnfähig“ sind, sondern dies gemeinsam mit den zuständigen SozialarbeiterInnen erlernen sollen.
Der Begriff Wohnfähigkeit lässt sich aufgrund unserer Befragungen inhaltlich mit folgenden Kriterien ausfüllen :
Kriterien die von allen InterviewpartnerInnen genannt wurden :
- Regelmäßige Zahlung der Miete und anderer laufender Kosten (Strom, Gas…)
- Ein gewisses Maß an Sauberkeit und Hygiene
- Einhaltung der Hausordnung
- Guter Umgang mit dem sozialen Umfeld (vor allem mit Nachbarn) – unleidliches Verhalten ist ein Delogierungsgrund!
- Regelmäßiges, gesichertes Einkommen (dazu zählt auch Sozialhilfe)
Uns ist es in diesem Zusammenhang wichtig, darauf hizuweisen, dass es hier auch darum geht, gesellschaftlichen und politischen Anforderungen zu entsprechen. Personen, die bereits von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, sollen sich wieder anpassen, anstatt individuelle Lebensweisen anzuerkennen.
Kriterien, die von mindestens zwei InterviewpartnerInnen genannt wurden :
- Einhaltung des Mietvertrages (vor allem keine Weitervermietung)
- Selbständige Bewältigung des Alltags (z.B. die Kenntnis, wo bei Problemen im Zusammenhang mit der Wohnung Hilfe zu holen ist)
- Klienten sollen ihre Suchtprobleme „im Griff haben“
These 2: Der systemische Ansatz bedeutet eine Bereicherung in der Sozialarbeit.
Die systemische Ausbildung wurde von allen Befragten übereinstimmend als sehr bereichernd in ihrer Arbeit beschrieben. Insgesamt lässt sich sagen, dass im Vergleich zu der vorhergehenden sozialarbeiterischen Vorgehensweise für die Befragten eine merkliche Veränderung und Verbesserung eingetreten ist. Aufgrund der Antworten lässt sich diese These mit folgenden Punkten belegen:
Punkte die von allen InterviewpartnerInnen genannt wurden :
- Vermehrtes ressourcenorientiertes Arbeiten
- Die Sichtweise bzw. der Blickwinkel ändert sich und es ist daher möglich, eine größere Distanz zu entwickeln und somit auch effektiver zu arbeiten.
- Wertfreies Arbeiten, das heißt die Werte der KlientInnen werden vermehrt berücksichtigt, was wiederum zu mehr Selbstbestimmung der KlientInnen führt.
- Durchbrechen der gewohnten Verhaltensmuster, Neues ausprobieren (zirkuläres Fragen, Kommunikation auf der Metaebene, paradoxe Reaktionen) und daher Möglichkeiten in der Arbeit mit den KlientInnen.
- Spürbar positive Veränderung im Team, Austausch mit KollegInnen verbessert.
Punkte die von mindestens zwei InterviewpartnerInnen genannt wurden:
- Durch vermehrtes Fragestellen werden Lösungen von den KlientInnen oft selbst herbeigeführt, das heißt die Ressource der eigenen Persönlichkeit und Macht wird aktiviert und es wird daher ein Stück Verantwortung von SozialarbeiterInnen auf die KlientInnen übertragen, was auch zu einer Entlastung der SozialarbeiterInnen führt.
- SozialarbeiterInnen können Entscheidungen mit einer Methode begründen, anstatt sich auf „das eigene Gefühl“ zu berufen.
- Erkenntnis, dass es nicht nur eine optimale Lösung gibt, sondern viele individuelle Lösungen für die KlientInnen. Wenn KlientInnen einen Weg gehen, der „unverständlich“ ist, ist es leichter, diesen trotzdem zu akzeptieren.
Der Fragenkatalog
1. Arbeitsbereich allgemein
Für welches Projekt arbeiten sie ? Bzw. in welchem Bereich arbeiten sie ?
Welche Position haben sie in diesem Projekt ?
Welche Zielgruppe wird angestrebt?
2. Wohnfähigkeit
Welche Rolle spielt die „Wohnfähigkeit“ im „Betreuten Wohnen“ ?
Gibt es eine festgelegte Definition des Begriffs „Wohnfähigkeit“?
Was sind die Kriterien für die „Wohnfähigkeit“? Von wem werden diese festgelegt? Sind sie von Institution zu Institution verschieden?
3. Systemisches Arbeiten
Warum haben sie eine Zusatzausbildung für systemisches Arbeiten absolviert?
Seit wann wenden sie systemisches Arbeiten an ?
Welche Unterschiede sind ihnen beim systemischen Arbeiten im Gegensatz zur Einzelfallhilfe aufgefallen?
4.Defizite
Welche Defizite gab es in ihrem Arbeitsbereich?
Können sie diese Defizite jetzt besser wahrnehmen, nachdem sie die Zusatzausbildung zum systemischen Arbeiten absolvieren?
Welche Bedürfnisse ergeben sich aus den Defiziten?
Welche Entwicklungsnotwendigkeiten ergeben sich aus den Defiziten?
Welche Wünsche ergeben sich aus den Defiziten?
5.Lösung durch den systemischen Ansatz
Was bietet der systemische Ansatz in der Sozialarbeit für ihren Bereich für Lösungsvorschläge?
Anhang: Zusammenfassung der Interviews
Interview 1
Arbeitsbereich
Ihr Arbeitsbereich ist ein zweigeteilter. Sie ist Sozialarbeiterin im Betreuten Wohnen und somit für alle wohnungssuchenden Menschen, die sich an die Einrichtung wenden, zuständig. Der zweite Teil der Arbeit ist ein anderes Projekt, wo sie für die Projektleitung verantwortlich ist. Dies ist eine Arbeit in einer sozialtherapeutischen Wohngemeinschaft für geistig abnorme Rechtsbrecher, die nach Paragraph 21-1 verurteilt werden, d.h. unzurechnungsfähig sind und somit keine Strafe ausgesprochen bekommen, sondern sich einer Behandlung unterziehen müssen. Diese werden auf die Entlassung vorbereitet, erhalten nach der Entlassung einen Wohnplatz und sollten innerhalb eines Jahres soweit sein, eine eigene Gemeindewohnung zu beziehen. In diesem Bereich arbeiten Sozialarbeiter aus dem Team des Betreuten Wohnens und Freizeitbetreuer mit.
Zum Begriff „Wohnfähigkeit“
In erster Linie bedeutet „Wohnfähigkeit“ für sie, dass die Leute die Fähigkeit wiedererlangen, eine Wohnung für sich selbst zu erhalten. Das heißt, dass einerseits die finanziellen Ressourcen so ausreichend vorhanden sind, dass sie im Stande sind, regelmäßig Miete zu bezahlen, Gas und Strom zu zahlen, aber auch, dass sich der Umgang mit der Wohnung in einem gewissen Normrahmen hält, die Wohnung also nicht „versaut“ ist. Außerdem, dass sie eine gewisse Anpassungsfähigkeit an die Hausordnung und an den Umgang mit den Nachbarn entwickeln, denn man kann ja wegen unleidlichen Verhaltens auch aus der Wohnung delogiert werden. Die wirklichen Obdachlosen von der Straße sind das geringere Publikum. Es sind eher die Wohnungslosen, die durch Haft oder Scheidung oder durch andere Umstände die Wohnung verloren haben, bzw. noch nie eine eigene Wohnung gehabt haben. Diese wollen wieder eine Wohnung haben und gehen auch Verbindlichkeiten damit ein. Wenn sie das alles so gut wie möglich in ihrem Bereich erreicht haben, dann ist Wohnfähigkeit gegeben und können für die Gemeindewohnung einreichen, vorausgesetzt, sie haben ein gewissen Kapital für die Wohnung angespart, was aber nicht unbedingt eine Voraussetzung ist.
Eine festgelegte, aufgeschriebene Definition ist ihr nicht bekannt. Es ist sehr wohl bekannt, aus welchen Gründen die Leute delogiert werden, und damit die Wohnfähigkeit verlieren (eben wegen Mietrückstand und unleidlichem Verhalten).
Variiert der Begriff Wohnfähigkeit von Institution zu Institution? Nicht sehr.
Zur systemischen Zusatzausbildung
Der Anstoß war eine Kollegin, die diese Ausbildung bereits gemacht hat und immer wieder etwas ins Team eingebracht hat, was für sie durchaus interessant geklungen hat.
Andererseits ist es für sie, da sie schon sehr lange in diesem Beruf tätig ist, einfach eine neue Anregung, denn man entwickelt eine gewisse Routine und man kann sich sehr leicht in eingefahrenen Bahnen bewegen. Dann ist es sehr gut, immer wieder neue Blickwinkel einnehmen zu können.
Sie macht gerade die Zusatzausbildung „Systemische Sozialarbeit“ des Vereins ASYS an der Bundesakademie für Sozialarbeit.
Seit wann arbeiten sie systemisch? Wenden sie es an?
Eigentlich seit Beginn der Fortbildung. Wenn man vom Seminar zurückkommt mit den Ideen, versucht man, es in die Praxis umzusetzen, wobei das eine zusätzliche Möglichkeit ist, das heißt nicht, dass sie ihren alten Stil des Arbeitens völlig geändert hat. Das geht auch gar nicht, weil man sich einen eigenen Arbeitsstil zugelegt hat, den man nicht völlig verändern kann. Sie liest auch viel. Außerdem hat ihr Team eine systemische Supervision, die sehr viel bringt.
Was sie sich vom letzten Jahr besonders mitgenommen hat, war das positive Konnotieren. Man hat mit Menschen zu tun mit verschiedensten Defiziten, mit denen man als Sozialarbeiter konfrontiert ist. Man legt den Focus sehr schnell auf etwas Negatives; z.B. ist es verlockend, sich, wenn einer ein Alkohol- oder ein Drogenproblem hat, gleich darauf zu stürzen. Dann bleibt man in einem Negativ – Kreislauf hängen, der sich wie ein Teufelskreis auswirkt. Die Menschen bestehen nicht nur aus diesem Problem, sie haben auch andere Seiten, Stärken und Fähigkeiten. Man rückt diese Fähigkeit mehr ins Zentrum, versucht die Qualitäten, die sie haben, zu sehen und sie anzusprechen, damit ihr Selbstvertrauen wieder gestärkt wird. Sie hat sich das in die Arbeit mitgenommen und hat auch das Gefühl, dass es zunehmend in die Arbeit einfließt und das Arbeiten zufriedener gestaltet.
Es ist ein lösungsorientiertes Arbeiten, was man in der Routine der Arbeit sehr leicht verliert, wenn man mit Defiziten konfrontiert ist. Es ist eigentlich nicht das Ziel, Fehler zu korrigieren, um einen Menschen gut „zum Funktionieren“ zu bringen. Man sollte den Klienten unterstützen, selbst Lösungen zu finden, denn der eigene Lösungsansatz würde vielleicht ganz anders aussehen als der des Betroffenen selbst.
Fallbeispiel
Ein Klient hatte seine Stieftochter missbraucht und hat dafür ein paar Jahre Haft bekommen. Er konnte seine eigenen Kinder nicht mehr sehen, war ohne Wohnung und hatte Schulden. Er war bereits für eine Wohnung angemeldet, wurde danach entlassen, hat jedoch die Wohnung nicht gleich bekommen. Er hat erzählt, dass er im Grunde schon kurz davor stand, sich vor die U – Bahn zu werfen.
Die SA versuchte den Blick dorthin zu lenken, dass sein Leben eine Perspektive hat. Das hat vorerst funktioniert. Er ist in eine Wohngemeinschaft für Erwachsene gekommen, hat den Kontakt zu ihr weiterhin gehalten und dann eine Wohnung bekommen. Trotz allem hat sich das Gespräch ständig im Kreise gedreht: er habe Depressionen, Selbstmordgedanken, ihm erschien alles nur negativ. Der Fall wurde in der Supervision besprochen und sie erhielt von ihrer Supervisorin einen Hinweis: Sie solle das Gespräch mit einem positiven Aspekt beginnen, der an dem heutigen Tag vorgefallen ist. „Z.B. eine nette Begegnung, der Genuss einer Leberkässemmel oder eine gelungene Tat.“ Das tat sie eine Zeit lang sehr bewusst, woraufhin sich etwas veränderte. So konnten sie dem Teufelskreis entkommen. Er hat es geschafft, eine Arbeit zu bekommen und konnte erkennen, dass der Alltag nicht nur negativ ist, sondern dass auch positive Dinge passieren können.
Defizite auf Seiten der Sozialarbeit
Defizite sind für sie schwierig zu beurteilen.
Supervision ist für jeden Bereich der Sozialarbeit wichtig. Es wäre ein Defizit, wenn es keine Supervision gäbe. Man arbeitet ohne Reflektionsmöglichkeit. Sie merkt es, wenn alles stagniert. Dann sollte sie etwas an ihrer Kommunikation ändern, wieder einen Schritt zurückgehen und sich in der Supervision Raum nehmen. Durch verschiedene Möglichkeiten, z.B. das Reflecting Team, tun sich andere Blickwinkel auf und es ändert sich auch die Situation mit dem Klienten. Es muss nicht unbedingt eine besprochene Supervision sein. Es kann auch ein Austausch zwischen KollegInnen sein. Ein intensiveres Nachdenken darüber, was momentan passiert, ändert auch meistens etwas an der Haltung oder eröffnet einen anderen Blickwinkel. Man sollte keine „Problemhypnose“ betreiben.
Es ist eine Falle der Sozialarbeit, sofort mit Antworten parat zu stehen, um dem anderen zu helfen. Der andere ist jedoch „unbekanntes Land“. Nur durch Fragen erforsche ich ihn, lerne ich ihn kennen.
Können Sie Defizite durch die Zusatzausbildung besser wahrnehmen?
Es kann zusätzlich hilfreich sein, was den Arbeitsbereich, die Struktur im Verein, die Zusammenarbeit untereinander oder die Machtverhältnisse betrifft. Es ist grundsätzlich eine gute Möglichkeit, Defizite klarer zu erkennen.
Haben sie ihren Blickwinkel auf den Klienten bezogen, geändert?
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, wie zirkuläres Fragen, Umdeutungen oder paradoxe Reaktionen. Diese Methoden verlieren sich wieder, wenn man nicht ständig theoretisch mit ihnen konfrontiert wird. Man fällt wieder in die alte Arbeitsweise zurück. Es geht durch die Seminare nicht in Fleisch und Blut über. Es muss sich langsam weiter entwickeln. Die Methoden verbessern die Sicht auf Stärken und Fähigkeiten der Klienten.
Zu systemische Supervision
Die frühere Supervision war nicht zufriedenstellend. Die neue Supervision fordert das Team und klärt die Anliegen und die Ziele. Man muss vom Ziel ausgehen, die Supervisorin stellt sehr gezielte Fragen und aufgrund ihrer Verhaltensweisen kann man selbst zielorientiertes Denken erlernen. Neue Ideen unterstützen eine intensivere Zusammenarbeit im Team. Man bekommt ein umfassenderes Bild. Die Supervision ist sehr konkret und zerfließt nicht in Plauderei.
Wünsche und Entwicklungsnotwendigkeiten :
Sie erlebt nicht viele Defizite in ihrem Arbeitsbereich. Weder ist sie mit Vorschriften noch mit fixen Gegebenheiten konfrontiert. Sie persönlich sieht eine Entwicklungsmöglichkeit darin, diese Ausbildung zu machen, sowie die Supervision weiterhin zu beziehen, damit sie das, was sie theoretisch und zum Teil schon praktisch dort geübt hat, vermehrt in die Praxis umsetzen kann.
Lösungsansatz
Sie hat bereits vorher auf diese Art und Weise gearbeitet, ohne es systemisch einzuordnen.
Fallbeispiel
Eine Frau hatte große finanzielle Probleme und konnte mit Geld nicht umgehen. Sie wurde bereits im Arbeitsprojekt von einem Sozialarbeiter betreut, der ihr einen Finanzplan erstellte, wodurch sie sich sehr entmündigt fühlte.
Sie tat ständig nur das, was sie wollte und ihr eilte der Ruf voraus, besonders schwierig, beinah „unbetreubar“ zu sein. Als sie eine Wohnung brauchte, kam sie bei ihr in Betreuung. Sie wusste nicht, wie sie diese Frau betreuen solle, wollte sich aber nicht mit ihr „ärgern“ und musste sich deshalb eine Arbeitshaltung aneignen, mit der „das gut gehen konnte“. So klärte sie mit der Klientin ab, dass sie die Schulden zurückzahlen müsse, die Miete rechtzeitig zahlen müsse, die Termine einhalten müsse, aber ansonsten würde sie sich um nichts kümmern, lehnte sich zurück und entspannte sich. Die Frau war froh, dass sie eine Wohnung bekam und betonte immer wieder, dass sie es schaffen würde. Tatsächlich zahlte sie einen großen Teil ihrer Schulden von einem sehr niedrigen Gehalt ab und konnte sogar relativ bald den Antrag für eine Gemeindewohnung einreichen (wenn auch mit Hilfe der MA12) .
Es war ein Erfolg, denn die Klientin ist zu einer Kundin geworden und hat ein Anliegen entwickelt, wodurch eine konstruktive Lösung hervorgegangen ist. Durch das „Zurücklehnen“ der SA entwickelte sich eine gute Betreuungsbasis für die Klientin.
Hätte sie sich auf den Konflikt eingelassen mit „mach das so“ und “ so machst du das nicht richtig“ und „du gibst das Geld falsch aus“ usw…, so wäre sie diejenige gewesen, die das Problem aufrecht erhalten hätte.
Der systemische Ansatz liegt eben auch darin, dass man darauf achtet, wo man selbst den Beitrag dazu leistet, das Problem aufrechtzuerhalten. Die SA zog sich auf das Minimum zurück und die Klientin hat sich nicht länger entmündigt, im Gegenteil, sich angehalten gefühlt, es zu schaffen.
Fallbeispiel
Ein Mann, geschieden mit 3 Kindern, obdachlos, Selbstmordgedanken, war schwerer Alkoholiker, auch schon während der Ehe. Er hat sich zum Alkoholentzug entschlossen, hatte immer wieder Rückfälle, war arbeitslos, viele Schulden und bekam nach langem Warten eine Wohnung. Er war darüber glücklich und hatte zumindest ein Teilziel, nämlich die Wohnung, erreicht.
Dann aber fiel er in Depressionen, es ging nichts mehr weiter, die Betreuungssituation stagnierte. Er brach sich den Fuß, bekam einen Liegegips und musste Zuhause bleiben.
Er machte sich selbst starken Druck, weil er Arbeit finden wollte.
Die SA versuchte nun, den Druck von ihm zu nehmen und alles aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Sie versuchte, ihm zu vermitteln, dass die Depression keine Krankheit sei, sondern dass er diese Zeit einfach für sich brauche, um neue Kraft zu tanken und sich Klarheit zu verschaffen. Sie stieg also nicht in diesen Druckkreislauf ein. Der Klient fand tatsächlich, nach Abnahme des Gipses, Arbeit, die er noch immer hat, fand eine neue Freundin und hat auch wieder Kontakt zu seinen Kindern.
Der systemische Ansatz erleichtert die Arbeit.
Interview 2
Arbeitsbereich
Die SA ist im Bereich des betreuten Wohnens angestellt. Die KlientInnen sind obdachlose Personen (meist in Zusammenhang mit Suchtproblematik…). Die Personen kommen zu einem Einzelgespräch, in dem abgeklärt wird, was das Ziel sein soll, die Personen werden begleitet, es wird abgeklärt, was schon im Vorfeld mögliche Schritte sein könnten, damit der Einzug sinnvoll ist. (z.B. Abklären von alten Schulden) (= Vorbereitungszeit). Danach erfolgt die Begleitung der Personen in einer betreuten Wohnung. Sie betreut zw. 12 und 15 Wohnungen.
Wohnfähigkeit:
Es gibt keine festgelegte Definition des Begriffs, d.h. die Sozialarbeiter sind in der Festlegung der Grenzen relativ selbständig. Die Kriterien werden relativ flexibel ausgelegt, da die Person die Wohnfähigkeit in dieser Institution erlernen soll. Es wird versucht, mit dem Klienten gemeinsam eine Lösung zu finden.
Kriterien: regelmäßige Zahlung der Miete; bei Problemen selbständiges Lösen bzw. realistischer Ansatz, holt er sich Hilfe; Sauberkeit der Wohnung (keine bedenklichen gesundheitlichen Zustände , Umgang mit Wohnraum, das Halten von Haustieren liegt in der Entscheidung des betreuenden Sozialarbeiters); Zahlung der laufenden Kosten vor allem Strom/Gas; Umgang mit Nachbarn/Haus; Verbot des Weitervermietens. (stillschweigender Zuzug)
Systemische Zusatzausbildung
Fortbildung wurde 1989/90 an der Bundesakademie für Sozialarbeit Wien gemacht; Wunsch nach Fortbildung; hat sie angesprochen und ist auch dabei geblieben.
Erfahrungen/Unterschiede zu früher
Sie war anfangs motiviert/neue Ideen, die Mitarbeiter reagieren mit Unverständnis/Verwunderung; hat sich aber in den Jahren verändert, weil auch zwei Kolleginnen in die Fortbildung eingestiegen sind und auch die Supervision schon länger mit dieser Methode gearbeitet hat. War dann wichtige Basis im Austausch mit Kollegen/neue Ideen/Umgang ausprobieren.
Vor allem die persönliche Ebene hat sich sehr verbessert. Sie erlebt das systemische Arbeiten einerseits als sehr hilfreich, andererseits als sehr entlastend; auch vereinfachend. Hat größere Distanz entwickeln können, lässt sich in Geschichten nicht mehr so verfangen.
Arbeitet auch viel klarer und effektiver am Ablauf zu den Klienten und im Geschehen innerhalb der Strukturen im Verein. Sieht es als wichtige Basis, dass sie schon lange hier arbeitet.
Defizite auf Seiten der Sozialarbeit
Hat das Gefühl, dass man in der Sozialarbeit den Drang hat, alles sofort zu lösen, und vergisst, dass der Klient selbst Ressourcen hat.
Würdigung und Anerkennung seiner Person, seiner Lage, dass was er schon versucht hat zu erreichen und was er selbst will, wird nicht mehr genug gewürdigt, sondern es wird schon noch getan. D.h. Überblick wird verloren. Eigene Werthaltung wird als Grundlage genommen.
Hat sich die Wahrnehmung in Bezug auf Defizite geändert?
Das oben genannte ist bewusster geworden und hat sich dadurch verbessert.
Systemischer Ansatz als Lösung?
Das ständige Überprüfen der eigenen Werthaltung und das Fragenstellen vermeidet Missverständnisse; es wird das gemacht, was der Klient gern möchte und nicht das, was der Sozialarbeiter für am besten hält. Die Ressourcen des Klienten und seine Ziele werden dadurch bewusster.
Durch das Fragen werden Lösungen, die oft „im Klienten selbst liegen“ durch den Klienten selbst herbeiführt, d.h. die Ressourcen der eigenen Persönlichkeit/der eigenen Macht werden aktiviert und es wird dadurch ein Stück Verantwortung auf den Klienten übertragen, was wiederum zu einer gewissen Entlastung des Sozialarbeiters führt. (Aktivierung der Ausnützung des Potentials, das man in sich trägt)
Es ist nun viel klarer, wo die Möglichkeiten liegen, auch für den Sozialarbeiter selber. Sozialarbeiter kann sich Nischen/Freiräume schaffen, es wird leichter zu entscheiden, wo man handeln kann/ wo man etwas begründen kann, weil man sich auf eine anerkannte Methode berufen kann und sich nicht nur auf sein eigenes Gefühl verlassen muss. Dadurch kommt es zu einer persönlichen Entlastung.
Erkenntnis, dass es nicht eine optimale Lösung gibt, sondern viele individuelle Lösungen für den Klienten. Wenn er zufrieden ist, dann ist es o.k. Man kann viel mehr Verständnis haben, wenn der Klient einen Weg geht, den man sich so nicht vorgestellt hat oder gewünscht hat.
Auch die positive Veränderung im Team war spürbar.
Fallbeispiel
Frau, die immer über jeden Kleinigkeit sehr aufgebracht ist, die deswegen ihre Gemeindewohnung verloren hat (Streit mit Nachbarn). Die SA hat sehr lange gebraucht, bis eine Zusammenarbeit möglich war. Für sie war immer das Hauptproblem, wie sie damit umgeht. Hat ihr dann Fragen gestellt, ob sie glaubt, dass sie das weiterbringt…dass der und der das Bösartige getan hat, Fragen, warum der das so macht usw. War für die SA hilfreich, diesen Hintergrund zu haben und das alles durchzuspielen und der Frau klarzumachen, wo sie ihr Potential hat, wo sie selbst was verändern kann. Jetzt ist es o.k.
Interview 3
Was bedeutet der Begriff „Wohnfähigkeit“ in ihrem Arbeitsbereich?
Es wird versucht, in den Wohnhäusern Wohnfähigkeit herzustellen. Das heißt: Miete pünktlich zu bezahlen, gewisses Maß an Hygiene, gewisses Maß an Angepasstheit; Umgang mit sozialem Umfeld.
Der Begriff ist nicht genau definiert und nicht schriftlich festgehalten. Er wird „gelebt“. Die Auslegung des Begriffs liegt im Ermessen des SA – in einer gewissen Bandbreite. Bsp.: Kommt es zur Schlägerei, wird dies nicht akzeptiert.
Wo und warum haben sie die systemische Zusatzausbildung gemacht ?
Wo? -> Fortbildungslehrgang „Systemische Sozialarbeit“ des Vereins ASYS an der Bundesakademie für Sozialarbeit ; mit Unterbrechung ca. 1997 beendet.
Warum? -> Sie hat über diesen Lehrgang gelesen, hatte aber keine Ahnung, worum es dabei geht, fand es aber interessant und konnte sich vorstellen, diesen Lehrgang zu besuchen. Das systemische Denken, deckt sich mit ihrer Persönlichkeit, durch die nicht verurteilende Haltung.
Welche Erfahrungen haben sie damit gemacht und haben sich daraus Unterschiede zum früheren Arbeiten ergeben ?
„Es ist schwierig zu sagen, ich arbeite jetzt so weil …“ Es gibt aber Unterschiede :
- Betrachtungsweise hat sich geändert
- Viel Neues ausprobiert.
- Hat immer noch neue Sichtweisen der Situation mit eingebracht
- Sprung hinaus auf die Metaebene
- Lässt sich nicht so schnell in die Sache hineinziehen
- Schnelle Änderung des Blickwinkels (Seitenwechsel; nimmt nicht gleich die erste Möglichkeit, sondern schaut ob es andere gibt)
- Änderungen der eigenen Wertvorstellung (Was ist meine Vorstellung und was bringt mir eine andere. Bsp.: Wohnung ist nicht das Wichtigste)
- Spricht anders mit den Klienten (wertfrei)
- Arbeitet nicht defizitorientiert (in Bezug auf KlientInnen) sondern schaut, welche Ressourcen da sind.
- Entscheidungsgewalt liegt bei den KlientInnen – kann nur ihre Blickwinkel verändern, auch nur so weit, wie sie es zulassen.
- Systemisches Denken wurde in die Persönlichkeit integriert
Fallbeispiel
Ein Klient wollte keine Therapie machen, hat dahingehend alles abgeblockt, was von ihrer Seite an Angeboten kam. Die Intervention hat sich daraufhin dahin geändert, dass sie den Klienten in seiner Meinung – keine Therapie zu machen – so bestärkt, bis ihm seine Argumente selbst lächerlich vorkamen. Das war der Knackpunkt.
Welche Defizite auf Seiten der Sozialarbeit gibt oder gab es in ihrem Arbeitsbereich?
- Sie war die Einzige mit dieser Zusatzausbildung, daher keine Möglichkeit sich mit KollegInnen auszutauschen.
- BerufseinsteigerInnen sind zu jung.
- Keine ausreichende Einschulung.
- Auswahlverfahren für neue Mitarbeiter ungeeignet (objektivierbare Befragung, nicht nur darauf achten, ob der BewerberIn sympathisch ist, muss auch schauen, ob er/sie mit der Arbeitsweise ins Team passt).
- Unausgewogene Geschlechterverteilung (früher nur Männer bzw. in Frauenwohnheimen nur Frauen – legt sich langsam).
- Gut zusammenarbeitendes Team (muss die Möglichkeit bestehen, sagen zu können, wenn man sich nicht auskennt, oder fürchtet, aber auch Kritik üben zu können).
- Zusammenarbeit mit anderen Professionen (akzeptieren von anderen Arbeitsweisen).
Hat sich ihre Wahrnehmung in Bezug auf Defizite ihres Arbeitsbereiches verändert?
Ihrer Meinung nach schon, obwohl nicht klar ist, ob sich diese aufgrund der systemischen Arbeitsweise oder der persönlichen Weiterentwicklung ergaben, aber sie spricht einen großen Anteil der systemischen Arbeitsweise zu. Gab ihr die Möglichkeit des emotionsloseren Betrachtens der Fälle.
Welche Entwicklungsnotwendigkeiten und Wünsche ergeben sich aus diesen Defiziten?
- Nützen von neuen Fortbildungen (Qui Gong, Bachblütentherapie …)
- Miteinbeziehen der Teams in das Auswahlverfahren
- EinsteigerInnen sollten vorher Erfahrungen sammeln (egal in welchem Bereich „Lebenserfahrung“ sammeln)
- Neuen MitarbeiterInnen sollte Zeit „zum Mitlaufen“ eingeräumt werden
- Ausgewogene Geschlechterverteilung
- Teamzusammensetzung so gestalten, dass offenes Gesprächklima möglich ist.
Kann der systemische Ansatz eine Lösung bieten?
Auf jeden Fall. Man bekommt dadurch die Ruhe, sich etwas zuerst einmal anzuschauen, von verschiedenen Gesichtspunkten aus die Situation zu betrachten. Man denkt vernetzter – dass sich durch die Lösung eines Problems, auch andere Dinge auflösen. Gleichgewichte werden verschoben.
Im Bereich der Qualitätssicherung spielt der systemische Ansatz keine Rolle.
Interview 4
Stellen sie uns bitte ihren Arbeitsbereich vor
Die SA arbeitet im Bereich des Betreuten Wohnens. Sie ist zuständig für ca.15 Leute. Ihre Klientengruppe sind Männer, Frauen, Kindern, die Probleme haben, sich auf dem Wohnungsmarkt zu behaupten. Gründe dafür können zum Beispiel Verschuldung , Alkoholabhängigkeit, Drogenabhängigkeit oder Arbeitslosigkeit sein. Beim Verein haben sie die Chance und die Möglichkeit, wieder selbstständig wohnen zu lernen und somit mit Anforderungen oder Problemen wie z.B. Streitereien mit den Nachbarn, Mietzahlungen, Ordnung halten usw. umgehen zu lernen.
Die KlientInnen bekommen Unterstützung bei der Bewältigung ihrer individuellen Probleme, wie z.B. bei der Schuldenregelung. Das Ziel dabei ist, die KlientInnen wieder selbstständig wohnfähig zu machen.
Die KlientInnen kommen über verschiedene Stellen – Jugendamt, Sozialamt, Obdachlosenheime, Bahnhofsozialdienst und über Bekannte. Sie können 2 bis 2,5 Jahre in betreuten Wohnungen wohnen. Die Sozialarbeiterin besucht die KlientInnen generell alle zwei Wochen. Am Beginn ist die Betreuung meist intensiver, wenn alles funktioniert , kann man sie reduzieren. Die Intensität der Betreuung ist aber von Fall zu Fall verschieden. Beim ersten Gespräch werden die Situationen der KlientInnen besprochen und die Ziele bestimmt.
Was bedeutet der Begriff Wohnfähigkeit in ihrem Arbeitsbereich?
Gibt es eine festgelegte Definition? Was sind Kriterien für Wohnfähigkeit? Von wem werden diese festgelegt? Sind sie von Institution zu Institution verschieden?
Sie definiert die „Wohnfähigkeit“ nach folgenden Kriterien: Der Klient muss in der Lage sein,
- seine Miete pünktlich zu bezahlen
- seine Schulden zu regeln
- die Wohnung sauber zu halten
- mit alltäglichen Problemen alleine zurecht zu kommen
- benötigte Unterstützung alleine zu suchen und zu finden
- laufende Kosten, vor allem Strom / Gas, selbstständig zu zahlen
- seine Suchtprobleme im Griff zu haben
Wo und wann haben sie die Zusatzausbildung gemacht?
Lehrgang „Systemische Sozialarbeit“ des Vereins ASYS an der Bundesakademie für Sozialarbeit
Ihre Kollegin hat die systemische Zusatzausbildung gemacht und hat sie mehr oder weniger beeinflusst. Die Veränderungen, die die Kollegin mitgebracht hat, waren spürbar und bildeten einen Anreiz für sie, ebenfalls diese Zusatzausbildung zu machen.
Welche Erfahrungen haben sie damit gemacht und haben sich daraus Unterschiede zum früheren Arbeiten ergeben?
Die Möglichkeit, bei „eingefahrenen“ Problemen einen neuen Blickwinkel zu bekommen, war für sie die entscheidende Erfahrung.
Wie kann man Leute besser motivieren?
Wie kann sie sich etwas Neues einfallen lassen, wenn das Alte nicht mehr funktioniert?
Wie kann man am Positiven im Klienten arbeiten?
Fallbeispiel
Sie erzählt von einem rechtsradikal orientierten Jugendlichen, der auch Kontakte zum Satanismus pflegt und öfters wegen diversen Gewalttaten mit dem Gesetz in Kontakt gekommen ist. Bei diesem Klienten fiel es ihr lange schwer, Verständnis für seine Situation aufzubringen und trotzdem das Gute in ihm zu sehen. Seit ihrer systemischen Ausbildung fällt ihr das leichter.
Welche Defizite auf Seiten der SA gibt oder gab es in Ihrem Bereich?
Hat sich die Wahrnehmung in Bezug auf Defizite geändert?
Als Defizite sieht sie:
- die Eingeschränktheit der Wahrnehmung der Probleme ihrer KlientInnen
- dass sich der Sozialarbeiter oft mit Problemen befassen muss, die nicht in seinen Arbeitsbereich fallen.
Die Defizite in der Sozialarbeit hängen sehr stark mit dem persönlichen Umgang des Sozialarbeiters mit der Problemstellung zusammen.
Sie erkannte ein Defizit in ihrer Wahrnehmung, welches sie mit dem Begriff „Freundlichkeitsfalle“ erklärt. Sie meint damit, dass sie öfters durch die Emotionalität der KlientInnen dazu verleitet war, den KlientInnen zu viel von deren Verantwortung abzunehmen, und dass sie in den Ratschlägen, die sie den Klienten gegeben hat, zu sehr das „was würde ich an seiner Stelle machen“ einfließen lassen hat. Das macht den KlientInnen wiederum unmündig, und somit unfähig, die Verantwortung für seine Probleme selbst zu übernehmen.
Welche Entwicklungsnotwendigkeiten und Wünsche ergeben sich aus den Defiziten?
Es wäre oft vorteilhaft, wenn man sich mehr Zeit nehmen würde, die Fälle der anderen Sozialarbeiter untereinander zu besprechen. So ergibt sich die Möglichkeit, die Sachen aus einem anderen Blickwinkel (und somit auch objektiver) zu sehen.
Kann der systemische Ansatz eine Lösung bieten ?
Ihr hilft es, die Dinge einfach so zu betrachten.
Sie sieht die systemische Zusatzausbildung als sehr gute Ergänzung, jedoch arbeitet sie deswegen nicht ausschließlich systemisch.